Dies ist die Geschichte von einer desaströsen Geburtstags-Überraschung, viel Selbstbeherrschung und nicht zuletzt einer großen Portion Humor, die sich heute vor zwei Jahren genau so zugetragen hat.
Zum Hintergrund:
Wie viele andere Menschen mit Autismus auch, leidet unser Sohn immer wieder an schweren Magen-Darm Problemen mit zum Teil wochenlangen Durchfällen. Diese Episoden gehen bei ihm leider oft mit kognitiven Ausfällen und Entwicklungsrückschritten einher. Wir haben inzwischen zahlreiche Versuche unternommen diese Problematik aufzuklären, doch bisher ohne zufriedenstellendes Ergebnis.
Bis eine Lösung gefunden ist, wird es für uns wohl immer wieder diese Phasen geben, in denen es heißt: Viel putzen und den Humor nicht verlieren.
Zum Geburtstag viel…
Ich wache früh am Morgen auf. Heute habe ich Geburtstag. Draußen ist es noch dunkel. Ich höre Schritte. Türknallen. Wieder Schritte. Die Schlafzimmertür öffnet sich, Marlene klettert in unser Bett und kuschelt sich unter die Decke. Es ist wieder ruhig, ich bin noch müde und döse langsam weg.
Doch die Stille ist nicht von langer Dauer. Nebenan knarzt das Hochbett. Ich höre wie Karl die Leiter hinunter klettert. Er kommt nicht ins Schlafzimmer. Mit einem Ohr lausche ich wie Karl — vertieft ins Selbstgespräch — in der Wohnung auf und ab läuft. Er scheint friedlich. Ich schließe die Augen und versuche erfolglos doch noch ein paar Minuten zu schlafen. Schließlich öffnet sich die Schlafzimmertür ein zweites Mal. Auch Karl kommt ins Schlafzimmer und kletterte zu uns ins Bett.
Schon zerreißt Marlenes Stimme die Stille:
“Iiiieeeh, wer hat sich in die Hose gekackt?”
Ich rieche nichts.
“Marlene, ich glaube nicht, dass sich hier irgendwer in die Hose gemacht hat. Vielleicht war es ein Pups.”
Dann spüre ich den nassen Schlafanzug. Nun rieche ich es auch. Ich schalte das Licht an und sehe das Ausmaß. Es ist überall. An den Hosenbeinen runtergelaufen, am Rücken hochgelaufen, an den Händen an den Füßen und im Haar.
Anja ist im vierten Monat schwanger und leidet immer noch unter Morgenübelkeit. Also kein Geburtstagsbonus. Ich werde mich um den “Kaka-Unfall” kümmern müssen. Im Eilschritt lotse ich Karl in die Dusche. Ich stelle ihn dort ab und versuche mir auf der Suche nach geeigneten Putzutensilien ein Bild von der Lage zu machen.
Braune Spuren führen durch den Flur in sein Zimmer. Braune Spuren auf der Hochbettleiter, auf der Bettdecke, dem Laken und dem Ikea-Bleistiftkissen, das auch oben im Bett lag. Da muss ich mich später drum kümmern.
Zurück zu Karl. Der tappt ungeduldig in der Dusche auf und ab. Braune Fußspuren überall. Ich weiß garnicht wo ich anfangen soll. Wir arbeiten uns Schritt für Schritt vor. Es stinkt bestialisch. Ich versuche den Würgereiz zu unterdrücken. Karl wird ungeduldig, er wippt hin und her, stützt sich an mir ab. Jetzt ist es auch an meinem Ärmel.
Derweil ruft Anja aus dem Wohnzimmer “Er hat sich auch aufs Sofa gesetzt.”
Endlich habe ich Karl aus seinem Schlafanzug befreit. Ich überlege den Schlafanzug wegzuschmeißen. Aber ich hatte ihn letzte Woche erst gekauft. Der Geiz siegt. Ich beschließe ihn zu waschen — aber später. Erst Karl. Erstmal Duschen.
Inzwischen klebt die Kacke auch an meinen Händen, meinen Füßen und am Duschkopf. In dem Moment reißt Marlene die Tür auf und grölt aus Leibeskräften
“Zum Geburtstag viel Glück!”
Hinweis: Die Namen unserer Kinder sind in diesem Beitrag geändert
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Liebe Anne,
es ist sehr unterhaltsam von dir zu lesen. Und ich fühle oft mit dir, ich habe selbst eine Tochter mit Autismus uns weiß wie anstrengend es sein kann. Ich bewundere es wie viel Liebe aus deinen Beiträgen klingt, egal wie groß die Katastrophe ist, ihr lasst euch nicht unterkriegen. Ihr macht das großartig.
Vielen Dank! 🙂